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In Zeiten wie diesen

Zum 35. Mal fand vom 6. bis 15.August in Locarno das Internationale Filmfestival statt. Im Trubel des hecktischen Festivalbetriebes blieb für das Unscheinbare kaum mehr Platz.
Unser Filmkritiker Heinz Schmid (HS) unterhielt sich deshalb in einem Exklusivinterview mit Alex Brunner (AB), dem Regisseur des kürzesten Filmes dieses Festivals. „Die Verkehrsmeldung“ dauert genau 50 Sekunden.

HS: Herr Brunner, von an sich kompetenten Fachkritikern wurde Ihnen schon wiederholt vorgeworfen, Ihr Werk sei zu lang für eine Verkehrsmeldung und zu kurz für einen Film. Wie stellen Sie sich dazu?
AB: Fräulein, bitte noch einen Steinhäger! Und Sie, sind Sie von der Zeitung?
HS: Herr Brunner, ich möchte Sie in aller Höflichkeit bitten: Wer stellt hier eigentlich die Fragen?
AB: Oh, pardon! In Zeiten wie diesen, wenn man die Unendlichkeit des Kosmos betrachtet, so ist doch die Länge oder Kürze einer Verkehrsmeldung völlig Wurst.
HS: Um gleich bei der Wurst zu bleiben, was ist Ihnen eigentlich nicht Wurst?
AB: Die Aussage, resp. der tiefere Sinn der Aussage, wenn Sie verstehen, was ich meine.
HS: Hat Ihr Film denn überhaupt eine Aussage?
AB: Herr Schmid, ich bin nicht hier, um mich auch noch von Ihnen beleidigen zu lassen! Natürlich hat mein Film eine Aussage und zwar eine philosophisch-technische, antroposophisch-musische, praktisch anwendbar politische,…
HS: Ja aber,
AB: Und gleichzeitig Religion und Hygiene, nicht zu vergessen Morgenturnen.
HS: Was für ein Morgenturnen?
AB: Im Sinne einer Weltanschauung.
HS: ???
AB: Einer wahren Weltanschauung.
HS: Aha.
AB: Gerade in Zeiten wie diesen, von denen man behauptet, dass Moskau sogar das Verkehrschaos steuert, scheint mir mein Werk wenn nicht nötig, so doch wichtig.
HS: Apropos Verkehrschaos, wo steht Ihre Verkehrsmeldung politisch?
AB: Darüber und zwar objektiv darüber.
HS: Finden Sie diesen Ausspruch nicht etwas anmassend, um es höflich auszudrücken?
AB: Zugegeben, auf den ersten Eindruck mag es etwas allgemeingültig tönen und nicht für jeden „dummen Löli“ verständlich, um es höflich zu beantworten. Aber mein Standpunkt ist doch völlig klar: Ich bin für Freiheit durch Polizei!
HS: Können Sie sich nicht bitte etwas kürzer und prägnanter ausdrücken.
AB: FDP. Ich bin durchaus für Ordnung in den rechten Händen.
HS: Und welches sind die rechten Hände?
AB: Keinesfalls zwei linke.
HS: Aha.
AB: Prost!
HS: Entschuldigung, das war aber wirklich ungeschickt von mir!
AB: Na schauen Sie, der ganze Kaffee über meine neue Hose! Da war doch Zucker drin, geht doch nicht raus!
HS: Halten wir uns jetzt nicht über Unwesentliches auf, zurück zum Film.
AB: Ech ha hald Freud am Celluloid.
HS: Eben.
AB: Grundsätzlich möchte ich eine Botschaft gegen die Schlechtheit der Menschheit richten. Ich bin ein positiver Denker, prost!
HS: Die Premiere Ihres Filmes fand kurz nach „Harrisburg“ statt; wie kommen Sie als Schweizer dazu, sich darüber Gedanken zu machen?
AB: Schliesslich musste eine Schweizer Versicherung für den Schaden aufkommen.
HS: Aber Herr Brunner, so viel ich weiss, war es doch nicht allein eine Schweizer Versicherung.
AB: Das ist doch Wurst. In Luzern weiss dies sowieso niemand.
HS: Aha, Sie sind von Zürich!
AB: Prost!
HS: Wie sehen Sie Ihre filmische Zukunft?
AB: (flüsternd) Was söll ich jetz säge?
HS: (flüsternd): Prost!
AB: (laut) Prost!
HS: Ich danke Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch.
AB: Und wer bezahlt jetzt meine versaute Hose?